Schwermetallanalytik

Die Bleivergiftung ist bei Seeadlern die häufigste anthropogene Todesursache in Deutschland. Die bei der Sektion gestellte Diagnose der Bleivergiftung wird durch eine toxikologische Analyse der Leber und der Niere abgesichert. Die Ergebnisse repräsentieren die akute Bleibelastung zum Zeitpunkt des Todes. Das nichtessentielle Element Blei wird lebenslang anstelle von Calcium in die Knochenmatrix eingelagert, der Knochen ist das Langzeitdepot für Blei. Die chronische Bleibelastung der Seeadler wird daher mittels Analyse des Bleigehaltes im Knochen untersucht.

Hintergrund

Blei, Cadmium und Quecksilber sind nichtessentielle, toxische Schwermetalle. Die ubiquitäre Verbreitung dieser Stoffe in der Umwelt resultiert zum einen aus natürlichen Prozessen, jedoch überwiegen quantitativ deutlich die anthropogenen Emissionen, welche hauptsächlich aus Industrie, Verkehr, Müllverbrennung, aus der Verwendung als Farbpigmente und in Akkumulatoren stammen. Quecksilber wurde früher als Saatgutbeizmittel in der Landwirtschaft verwendet. Blei wird aufgrund seiner hohen Dichte und leichten Verarbeitung als Munition und als Bleigewicht im Angelsport eingesetzt. Cadmium ist auch aktuell ein unbeabsichtigter Bestandteil von Phosphat-Düngemitteln.

Diese Schwermetalle induzieren:

  • Gewichtsverlust
  • Verhaltensänderungen
  • Enzyminhibition
  • Anämie
  • Nephrotoxizität
  • Immunosuppression
  • Reproduktionsstörungen
  • Schädigung des ZNS und peripheren Nervensystems
  • teratogene, carcinogene und mutagene Effekte

Nur das lipophile, organische Quecksilber, z.B. Methyl- Quecksilber, reichert sich in der Nahrungskette an, sowie die bekannten chlorierten Kohlenwasserstoffe, die früher als Pestizide verwendet wurden (z.B. DDT/DDE). Organisches Quecksilber akkumuliert im Fettgewebe und im Nervensystem, insbesondere dem ZNS. Anorganisches Quecksilber, Cadmium und Blei akkumulieren im Organismus in der Leber und in den Nieren, Blei auch anstelle von Calcium in den Knochen.

Fragestellung

Wie hoch ist der Anteil der bleivergifteten Seeadler in Deutschland?

Gibt es geschlechts- oder altersspezifische Unterschiede bei der Schwermetallexposition von Seeadlern?

Unterscheidet sich die Bleiexposition der Seeadler in Abhängigkeit von der Jahreszeit und gibt es regionale Unterschiede?

Existiert bei Seeadlern einen Zusammenhang zwischen den Bleikonzentrationen in den Knochen und dem Alter der Vögel?

Wie hoch sind die Konzentrationen von anderen Schwermetallen in Organproben von Seeadlern, und haben diese Schwermetalle einen Einfluss auf den Gesundheitsstatus der Seeadler?

Material und Methoden

Die Exposition von Seeadlern gegenüber den toxischen Schwermetallen Antimon, Blei, Cadmium und Quecksilber, sowie die Elementkonzentrationen der essentiellen Schwermetalle Kupfer, Eisen und Zink wird mit der Atomabsorptionsspektroskopie (AAS) analysiert. Diese standardisierte Methode zur Analytik von Schwermetallen wird z.B. ebenfalls in der Lebensmittelchemie und im Arbeitsschutz eingesetzt.
Analysiert werden Leber und Niere von toten Seeadlern und Wasservögeln. Die Schadstoffbelastung in diesen Organen zeigt die aktuelle Belastung zum Zeitpunkt des Todes. Eine zusätzliche Bleianalytik der Knochen von toten Seeadlern ist ein Hinweis für die Langzeit-Bleibelastung der Vögel, da Blei langfristig anstelle von Calcium fest in den Knochen eingelagert wird. Parallel zur Untersuchung der Organe werden ebenfalls Blutproben von Seeadlern sowie Blutproben von Wildgänsen auf eine akute Bleibelastung untersucht.

Atomabsorptionsspektrometer (AAS) der Firma Analytik Jena im Labor des Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung
Abb. 1: Atomabsorptionsspektrometer (AAS) der Firma Analytik Jena im Labor des Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung


Erste Ergebnisse

Seit November 2007 wurden am IZW von 92 Seeadlern, 13 Wildgänsen und einem Singschwan die Leber und Niere, sowie die Blutproben von 116 Seeadlern und von 56 Wildgänsen auf die Elemente Blei, Cadmium und Kupfer untersucht. Bei den Blutproben der Seeadler handelte es sich überwiegend um Blut, das Nestlingen bei der Beringung (Ende Mai/Anfang Juni) in den Jahren 2002 bis 2006 entnommen wurde.

Bei den analysierten Blutproben von 110 Nestlingen und sechs ausgewachsenen Seeadlern waren sechs Jungvögel, sowie zwei ausgewachsenen Seeadler, mit Bleiwerten von über 0,2 ppm bis 0,62 ppm einer erhöhten Bleiexposition ausgesetzt (Abb. 2). Letale Bleiwerte wurden nicht festgestellt. Die Konzentrationen für Kupfer entsprechen den normalen physiologischen Werten, alle Cadmiumkonzentrationen sind moderat und entsprechen der „natürlichen“ Hintergrundbelastung von Greifvögeln.

Schwermetalle in Blutproben von 116 Seeadlern aus Deutschland
Abb. 2: Schwermetalle in Blutproben von 116 Seeadlern aus Deutschland
(Box-Plot Darstellung).

Schwermetalle in Blutproben von 56 Wildgänsen.
Abb. 3: Schwermetalle in Blutproben von 56 Wildgänsen. Diese Konzentrationen repräsentieren normale physiologische Werte für das essentielle Kupfer und für die „natürliche“ Hintergrundbelastung der nichtessentiellen Elemente Blei und Cadmium.

Bei den untersuchten Organen von 92 Seeadlern hatten 26 (28 %) Bleiwerte von über 5 µg/g (ppm = „parts per million“) in der Leber, die als akute Bleiintoxikation zu werten sind. Alle Cadmiumkonzentrationen in den Organen entsprechen den Werten der „natürlichen“ Hintergrundkontamination, bzw. bei Kupfer den physiologischen Werten (Abb. 4).

Box-Plot Darstellung der Konzentrationen (µg/g) von Blei (Pb), Cadmium (Cd) und Kupfer (Cu) in Organproben von 92 Seeadlern.
Abb. 4: Box-Plot Darstellung der Konzentrationen (µg/g) von Blei (Pb), Cadmium (Cd) und Kupfer (Cu) in Organproben von 92 Seeadlern.